Sandra

Eigentlich weiß ich nicht wer ich bin und vielleicht habe ich es auch noch nie wirklich gewusst! Dennoch möchte ich versuchen mich zu beschreiben. Ich war – glaube ich – ein sehr aktives aber auch vernünftiges Kind. Ich war relativ gut in der Schule, habe mein Abitur gemacht und danach eine Ausbildung zur Speditionskauffrau bei Volkswagen erfolgreich abgeschlossen. Anschließend bekam ich von VW ein Stipendium und ging zum Studium der Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Verkehrswissenschaft nach Gießen. Meine Leidenschaft galt in den ganzen Jahren dem Sport. Erst bestimmte die Leichtathletik mein Leben und ich habe viele Jahre täglich trainiert. Danach war ich mit genauso großer Leidenschaft täglich im Fitnessstudio und habe in Aerobic- und Stepkursen, an den Geräten oder auf dem Fahrrad, Laufband oder Stepper meinen Körper trainiert. Ich nahm meinen Sport sehr ernst und habe nie geraucht oder irgendwelche Drogen ausprobiert. Ich habe selten Alkohol getrunken oder Partys gefeiert. Fast food, Süßigkeiten, Chips oder Cola waren nahezu tabu und ich habe mich immer gesund ernährt – viel frisches Obst, Salat und Gemüse, kein Fleisch, morgens Müsli oder Vollkornprodukte, wenig Fett und Zucker. Diese Mischung aus wenig Freizeit, einigermaßen disziplinierter Lebensführung und viel Ehrgeiz hatte zur Folge, dass einige Freundschaften auf der Strecke blieben. :o( Ich hatte natürlich Freunde und ich war auch nicht unbeliebt, aber ich gehörte nirgendwo wirklich dazu. Das war in der Schule so, während der Ausbildung und auch beim Studium. Ich kannte immer irre viele Leute und unternahm oft etwas mit den verschiedensten Cliquen, aber ich war nie ein Teil dieser Gruppen. Jedenfalls glaube ich das! Allerdings glaube ich, dass mir das früher nicht bewusst war und mich nicht besonders belastet hat. Heute finde ich es jedoch schade und ich wünschte, ich hätte damals mehr in Freundschaften investiert. Aber ich habe eine Hand voll Freunde, die mir seit vielen Jahren sehr am Herzen liegen. Leider können wir uns nicht so oft sehen, wie wir uns das manchmal wünschen, aber ich bin glücklich seit fast 20 Jahren Kerstin, Sandra, Katja, Karin und meinen Schatzi Jan an meiner Seite zu haben. :o) Obwohl ich manchmal schon traurig war und mir diese eine „beste“ Freundin gewünscht habe, mit der ich Tag und Nacht über alles reden kann, die immer da ist wenn ich sie brauche, die stark ist wenn ich schwach bin und auf die ich mich voll verlassen kann. Es gibt noch immer Tage, an denen ich mir jemanden zum Reden, Trösten oder einfach nur zum Anlehnen wünsche. Wahrscheinlich hat kaum jemand diese sensiblen, verletzlichen, schwachen und einsamen Seiten an mir vermutet, geschweige denn gesehen. Ich habe mich oft hinter einem selbstbewussten, sicheren und starken Auftreten versteckt und deshalb vielleicht auch manchmal arrogant auf einige gewirkt.

Nach außen habe ich schon immer nahezu perfekt funktioniert und im Inneren wäre ich manchmal am Liebsten weggelaufen. Ich habe mich oft selbst unterschätzt und mir nichts zugetraut, insbesondere in der Schule und beim Studium – trotz guter Leistungen. Dagegen habe ich mich bei meinen diversen Nebenjobs immer total sicher und souverän gefühlt. Als Aerobictrainerin oder Animateurin, Messe-Hostess, Rezeptionskraft oder Bedienung habe ich nie an mir, meinem Auftreten und meinen Fähigkeiten gezweifelt. Sicherlich weil ich genau wusste, dass ich es kann. Es gibt tatsächlich einige Fähigkeit und Eigenschaften, die hoffentlich nicht nur ich an mir schätze. :o) Ich bin sehr natürlich und aktiv – bis zu meiner Erkrankung war ich vor allem sportlich aktiv, heute muss ich mich leider auf geistige Aktivitäten beschränken. Ich bin ziemlich ehrgeizig, zielstrebig und begeisterungsfähig. Ich habe aber nicht nur viel Energie, sondern kann Menschen auch mitreißen und für eine Sache begeistern – manchmal sogar ohne, dass sie es überhaupt wollen bzw. bemerken. :o) Ich bin sehr kreativ und habe ein Auge für Formen und Farben. Ich schenke gerne und mache mir oft Gedanken, wie ich anderen helfen kann. Ich freue mich am meisten, wenn ich jemandem eine Freude machen kann. Ich kann niemandem lange böse sein und bin nicht nachtragend. Ich lache, auch wenn mir nicht nach lachen zumute ist und ich kämpfe immer, auch wenn ich nicht gewinnen kann. Natürlich gibt es auch Seiten, die ich nicht an mir mag. Ich rede viel und bin hin und wieder etwas besserwisserisch. Mir ist es oft viel zu wichtig, was andere von mir denken und ich möchte es immer allen Recht machen. Dadurch verstecke ich mich selbst viel zu oft. Manchmal bin ich ungeduldig und erwarte von anderen sofort die gleiche Energie und Begeisterung für eine Sache. Ich kann mich ziemlich schlecht entscheiden und gehe oft den Weg des geringsten Widerstands. Ich versuche immer stark zu sein, auch wenn ich ganz schwach bin. Ich stehe mir häufig selbst im Weg und habe das Leben nie richtig zugelassen bzw. genossen. Ich habe einen Hang zum Perfektionismus und bin selten wirklich mit mir zufrieden. :o( Aber: Ich mag mich selbst heute mehr als vor meiner Erkrankung. Ich weiß jetzt, wie schön und glücklich mein Leben war und dass das einzige, was dem Empfinden dieses Glücks im Wege stand, ich selber war. Jeder ist eben doch seines Glückes Schmied! Leider habe ich einige schöne Momente nie erleben können, wie einen Heiratsantrag zu bekommen und eine Hochzeit zu feiern. Auch das Gefühl ein Baby unter dem Herzen zu tragen und Leben zu schenken werde ich nie teilen dürfen. Ich glaube, ich bin und bleibe eine Insel…aber eine besonders schöne! :o) Dafür habe ich meine große Liebe gefunden, denn meine Berner Sennenhündin Judy ist mein größtes Glück.

Was kann ich noch zu mir sagen? Ich bin ziemlich sentimental und weine regelmäßig und gerne bei „Nur die Liebe zählt“ oder dramatischen Filmen. Ich liebe Robbie Williams und Xavier Naidoo auf eine ganz unspektakuläre Weise. Über Herbert Knebel, Mr. Bean und Ice Age kann ich mich selbst in traurigen Momenten kaputt lachen und ich bin ein Fan von „Sex and the City“ und Lolle von „Berlin Berlin“. Ich sterbe für Kaiserschmarrn, frisches Brot oder Frankfurter Grüne Soße und habe kein Problem damit, eine Portion für vier Personen zu verdrücken. Trotzdem ich mir schon den Titel „Fressraupe“ eingehandelt habe, wiege ich bei einer Größe von 1,72 m nur noch 46 kg. Aber an meinem ehemals flachen und fettfreien Bauch hat mein Appetit doch ein paar kleine Spuren hinterlassen, die mich in meiner Eitelkeit sehr stören und ich bin immer wieder heilfroh, dass ich nicht mehr in der Lage bin, meinen Po im Spiegel zu sehen! ;o) Ich achte sehr auf mein äußeres Erscheinungsbild und trage – zur Belustigung meiner Ergotherapeutin Katja – immer farblich passende Strümpfe. Außerdem bin ich auch sonst sehr ordentlich und organisiert und mag es nicht besonders, wenn jemand oder etwas diese Ordnung nachhaltig stört. Darüber hinaus gibt es noch andere Verhaltensweisen und Eigenschaften, die ich generell furchtbar finde. Geiz, Handeln aus Berechnung oder auch Oberflächlichkeit, Selbstmitleid, Gedankenlosigkeit und eine mangelnde Eigenwahrnehmung und Reflektion. Leider kann ich nicht ganz ausschließen, dass ich mich hin und wieder selbst furchtbar finden muss! :o) Es ist sehr schwierig, sich selbst zu beschreiben. Daher habe ich einige liebe Menschen gebeten, etwas über mich zu schreiben – Erinnerungen, gemeinsame Erlebnisse oder ihre Gedanken und Gefühle. Ich hoffe, so entsteht ein relativ vollständiges Bild von mir und vielleicht weiß dann auch ich endlich, wer ich eigentlich bin!

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